„Meine Tür ist immer offen“ … bringt dich nicht weiter

Es passiert immer wieder: Ich sitze im Gespräch mit CEOs oder Geschäftsführern, die mir stolz ihr Büro zeigen – meist im 10. Stock mit grossartigem Weitblick. Oft höre ich dann den Satz:

„Meine Tür ist immer offen.“

Ein Satz, der signalisieren soll, dass die Führungskraft für die Anliegen der Mitarbeitenden jederzeit zugänglich ist, dass Offenheit und Erreichbarkeit als Priorität angesehen werden.

Doch was höre ich wirklich? Der Satz klingt nach dem Wunsch, als offener und zugänglicher Chef wahrgenommen zu werden, doch oft steckt etwas anderes dahinter. Es entsteht das Bild eines CEOs, der Statussymbole pflegt und für den ein eigenes Büro Teil seines Führungsanspruchs ist.

Was steckt hinter dem Satz „Meine Tür ist immer offen“?

Wenn ein CEO sagt, dass seine Tür immer offen ist, meint er oder sie oft, dass man jederzeit willkommen ist, um Anliegen vorzutragen oder sich auszutauschen. Die Intention ist gut: Die Führungskraft möchte signalisieren, dass sie ansprechbar ist, keine Barrieren aufbaut und bereit ist, zuzuhören. Doch die Realität zeigt, dass dies in vielen Fällen nicht wirklich so umgesetzt wird.

Was ich dabei oft heraushöre, ist Folgendes:

  • Status und Symbole sind wichtig:
    Der Satz „Meine Tür ist immer offen“ wird oft von CEOs gesagt, die grossen Wert auf ihr eigenes Büro legen – oft ein Symbol von Status und Macht. Dabei ist das eigene Büro meist räumlich und symbolisch vom Rest des Teams getrennt. Dieser Raum signalisiert Macht und Kontrolle, nicht unbedingt Offenheit.
  • Der Ort des Gesprächs wird vom CEO bestimmt:
    Gespräche finden im Büro des CEOs statt, ein Raum, in dem sich die Führungskraft wohlfühlt, nicht unbedingt die Mitarbeitenden. Die Führungskraft entscheidet, wo und wie kommuniziert wird – und damit oft auch über die Dynamik des Gesprächs. Dabei könnte ein gemeinsamer Spaziergang oder ein anderes, neutraleres Setting manchmal viel sinnvoller und angenehmer sein.
  • Vertraute Umgebung für den CEO, Flexibilität für andere:
    CEOs fühlen sich in ihrer vertrauten Arbeitsumgebung sicher und kontrolliert. Gleichzeitig erwarten sie von ihren Mitarbeitenden häufig Flexibilität – sei es durch flexible Arbeitsmodelle oder durch die Bereitschaft, sich den Gegebenheiten anzupassen. Es entsteht eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen an das Team und dem eigenen Verhalten.
  • Mitarbeitende müssen zu mir kommen:
    Der Satz „Meine Tür ist immer offen“ impliziert, dass der CEO darauf wartet, dass die Mitarbeitenden zu ihm kommen. Es geht selten darum, aktiv auf andere zuzugehen, sondern eher darum, dass die Führungskraft bestimmt, wann und wie der Austausch stattfindet. Doch häufig wäre es effektiver, wenn der CEO proaktiv auf seine Mitarbeitenden zugeht, Interesse zeigt und den Austausch initiiert.
  • Analoges Verhalten in einer digitalen Welt:
    Viele CEOs sprechen von der Notwendigkeit der digitalen Transformation und fordern von ihrem Team Anpassung und Flexibilität. Doch in ihrem eigenen Verhalten zeigen sie oft eher traditionelle und analoge Muster – von der Bürogestaltung bis hin zur Art und Weise, wie sie kommunizieren. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Verhalten wird für das Team oft spürbar.

 

Die Rolle des CEOs: Machtvoll auch in kleinen Dingen

Die Rolle eines CEOs ist nicht nur in grossen, strategischen Entscheidungen wirkmächtig, sondern auch in den kleinen, alltäglichen Handlungen. Jede Interaktion, jede Entscheidung und jede Kommunikation hat Auswirkungen auf das gesamte Team und prägt die Unternehmenskultur.

Wenn ein CEO sagt: „Meine Tür ist immer offen“, mag dies eine gut gemeinte Geste sein. Doch es geht um mehr als nur um Worte. Die Frage ist, wie diese Worte im täglichen Verhalten umgesetzt werden und ob die Mitarbeitenden dies tatsächlich so erleben. Offenheit und Zugänglichkeit sind nicht allein durch eine offene Bürotür garantiert – sie manifestieren sich in den täglichen Handlungen und der Art und Weise, wie man miteinander umgeht.

Als CEO oder Führungskraft ist es wichtig, sich regelmässig zu fragen: Wie werde ich von meinen Mitarbeitenden wahrgenommen? Nehmen sie mich wirklich als zugänglich und offen wahr, oder bin ich in meinem Verhalten eher distanziert und unerreichbar? Reflektiere dein Tun und Verhalten auf ihre innere Stimmigkeit. Denn auch wenn du die besten Absichten hast, liegt es oft nicht in deiner Hand zu bestimmen, wie diese Absichten bei den Mitarbeitenden ankommen.

Ein Beispiel: Du denkst, dass du in Gesprächen aufmerksam zuhörst und Feedback gibst. Doch frag dich: Kommt das auch so an? Oder fühlen sich deine Mitarbeitenden möglicherweise nicht wirklich gehört, weil du das Gespräch leitest und es nach deinen Regeln abläuft?

Wege zu mehr Offenheit und Zugänglichkeit als CEO beginnen mit kleinen, aber entscheidenden Veränderungen im Führungsstil und in der Kommunikation. Eine Möglichkeit besteht darin, alternative Orte für Gespräche zu finden. Überlege, ob Besprechungen immer in deinem Büro stattfinden müssen. Manchmal kann ein anderer Ort, wie ein Café, ein Spaziergang oder ein neutraler Raum, dazu beitragen, dass sich deine Mitarbeitenden offener fühlen und das Gespräch entspannter verläuft.

Sei ausserdem proaktiv im Austausch. Warte nicht darauf, dass deine Mitarbeitenden den Weg zu dir suchen. Zeige echtes Interesse an ihnen und gehe auf sie zu. Frage nach ihren Meinungen und Anliegen, bevor sie sich gezwungen sehen, den ersten Schritt zu machen. Das schafft Vertrauen und zeigt, dass dir der Austausch wirklich wichtig ist.

Setze den Fokus auf echte Flexibilität. Überprüfe, ob du tatsächlich von anderen Flexibilität forderst, während du selbst in gewohnten Mustern feststeckst. Flexibilität beginnt bei dir. Wenn du flexible Arbeitsmodelle förderst, dann sei auch bereit, dein eigenes Verhalten und deinen Arbeitsstil anzupassen und offen für Veränderungen zu sein.

Zeige Interesse an den Menschen, nicht nur an den Ergebnissen. Deine Mitarbeitenden sind nicht nur Arbeitskräfte, die Aufgaben erledigen, sondern auch Menschen mit individuellen Bedürfnissen und Herausforderungen. Wenn du ihnen als Menschen Wertschätzung entgegenbringst, werden sie sich eher öffnen und auch über schwierige Themen sprechen.

Zuletzt, vermeide Symbolik und Statusdenken. Ein grosses Eckbüro kann zwar ein Statussymbol sein, aber es schafft auch Distanz zu deinem Team. Frage dich, ob du diese Distanz wirklich brauchst oder ob sie dich davon abhält, näher bei deinen Mitarbeitenden zu sein. Die besten Führungskräfte sind diejenigen, die Nähe zu ihren Mitarbeitenden zeigen und auf Statussymbole verzichten, um echte Verbindungen zu fördern.

Offenheit beginnt bei dir

Der Satz „Meine Tür ist immer offen“ allein reicht nicht aus, um als zugänglicher und offener CEO wahrgenommen zu werden. Es sind die kleinen Handlungen im Alltag, die den Unterschied machen. Wie du auf dein Team zugehst, wie du Gespräche führst und wie flexibel du in deinem eigenen Verhalten bist – all das trägt dazu bei, wie du von deinen Mitarbeitenden wahrgenommen wirst.

Offenheit beginnt nicht mit einer offenen Tür, sondern mit einer offenen Haltung. Reflektiere dein Verhalten regelmässig und sei bereit, daran zu arbeiten. Nur so kannst du sicherstellen, dass das, was du sagst, auch wirklich so ankommt, wie du es meinst.

Nancy Wayland

Die Stärken in Menschen zu fördern, ist meine Leidenschaft. Seit über zwei Jahrzehnten begleite ich Führungskräfte in der Entwicklung ihrer Leadership-Kompetenzen. Als CEO eines grossen Sozialversicherungsunternehmens habe ich gezeigt, dass tiefgreifende Transformation auch in öffentlich-rechtlichen Organisationen möglich ist – mit dem richtigen Mindset und den richtigen Menschen.

Heute bringe ich diese Kompetenz in mehrere VR-Mandate ein.

2023 habe ich mich selbstständig gemacht und unterstütze seither C-Level-Executives, sowohl in der Vorbereitung auf ihre CEO-Rolle als auch in den ersten Monaten der Einarbeitung, um sie sicher durch die typischen Herausforderungen der Anfangsphase zu navigieren.